S. Scheil: Entfesselung des Zweiten Weltkriegs

Cover
Titel
Fünf plus Zwei. Die europäischen Nationalstaaten, die Weltmächte und die vereinte Entfesselung des Zweiten Weltkriegs


Autor(en)
Scheil, Stefan
Reihe
Zeitgeschichtliche Forschungen 18
Erschienen
Berlin 2004: Duncker & Humblot
Anzahl Seiten
533 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Walter Troxler

Der Zweite Weltkrieg, so die landläufige Meinung, wurde entfesselt, und zwar von Hitler-Deutschland. Die Alliierten haben mit ihrer Forderung der bedingungslosen Kapitulation, die sie in Europa nur an Deutschland gestellt haben, eigentlich auch den Schuldigen bezeichnet. Der Autor geht diesem Bild mit detaillierten Forschungen auf den Grund und der Titel lässt es erahnen, so einfach wurde dieser verheerende Krieg nicht entfesselt. Ausser Deutschland, das sicher eine treibende Kraft war, spielte Polen eine sehr wichtige Rolle und damit verbunden seine Partner Frankreich und England. Italien, immer etwas im Schatten von Deutschland, hat die Phase um den Kriegsausbruch sehr intensiv mitgeprägt, sei es als katholische Nation zu Gunsten Polens, sei es aus Furcht vor einem Krieg, der möglicherweise ein nicht vorbereitetes Italien treffen könnte.

Die europäischen Mächte hatten mit der Konferenz in München zwar noch den Frieden zu sichern gesucht, aber das deutsch-polnische Verhältnis, das seit langem gespannt war, stand nicht auf der Traktandenliste. Die Forderungen Hitlers an Polen führten zur französisch-englischen Garantieerklärung für Polen. Wenige Monate später folgte der deutsche Nichtangriffspakt mit Russland. Damit war die östliche Macht ins Geschehen integriert, ohne dass deren Ziele erkennbar waren. Die USA dagegen standen immer noch abseits und das «Bauernopfer» Polen war ihnen keine Intervention wert.

Nach dem Polenfeldzug gab es weitere Initiativen, den Frieden wiederherzustellen: ein italienischer Konferenzvorschlag, die Hess-Affäre, Wiederaufnahme der Dahlerus-Verhandlungen. Ende November hatte die UdSSR Finnland angegriffen und der amerikanische Präsident Roosevelt schickte anfangs 1940 seinen Unterstaatssekretär im Aussenministerium, Summner Welles, auf eine Europareise, um die Vorstellungen einer künftigen Friedensordnung zu erörtern. Offen bleibt die Frage, warum damals Moskau nicht auch Station der Reise wurde. Es hätte im Frühjahr 1940 folgende Möglichkeiten für Friedensverhandlungen gegeben: 1. Ein zweites «München», 2. Ein Friede allein unter den Kriegsparteien Deutschland, Frankreich und England, 3. Ein Friede unter den Münchner Mächten, aber mit Beteiligung Russlands und 4. Einen Frieden nach Roosevelts Idee des «Weltfriedensplanes». Keine dieser Möglichkeiten wurde genutzt, sondern mit dem Besetzen Norwegens durch die Deutschen und die Engländer eskalierte der Krieg weiter. Mit dem Angriff auf Frankreich hatte Hitler jene Schwelle überschritten, die ihn künftig als Verhandlungspartner mit dem Westen unmöglich machte. Nach dem Debakel von Dünkirchen war absehbar, dass die USA in den Krieg eingreifen würden, womit auch das Schicksal Deutschlands grundsätzlich besiegelt war.

Die bisherige Forschung war zu sehr auf Deutschland und auf Hitler fixiert. Nach der Lektüre dieses sehr lesenswerten Werkes ist klar, dass auch andere Regierungen durch ihr Verhalten mitbeteiligt sind am Ausbruch des Krieges. Carl J. Burckhardt schrieb bereits 1925 in geradezu prophetischer Sicht: «Alles starrt auf Deutschland, als ob alle Entscheidung von dort kommen würde, alle Gefahr dort ihren Ursprung habe ...» In den 30er Jahren aber standen nicht nur Hitler und dessen Vertrauenswürdigkeit im Zentrum der Probleme, sondern auch die Westmächte und ihre fehlende Bereitschaft, damalige Realitäten wie die stalinistische Aggressionspolitik in Rechnung zu stellen.

Zitierweise:
Walter Troxler: Rezension zu: Stefan Scheil: Fünf plus Zwei. Die europäischen Nationalstaaten, die Weltmächte und die vereinte Entfesselung des Zweiten Weltkriegs (Zeitgeschichtliche Forschungen Band 18). 2. Aufl., Berlin, Duncker & Humblot, 2004. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 55 Nr. 2, 2005, S. 253-254.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 55 Nr. 2, 2005, S. 253-254.

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